English
French
Polish
Swedish
Russian
Arabic
Ukrainian
Persian
German

Ebern: Schule, die aufs Ganze geht

Das Friedrich-Rückert-Gymnasium Ebern setzt auf eine neue Unterrichtsform. Den Schülern der ersten gebundenen Ganztagsklasse macht das Lernen Spaß.

„Mmmmhhhh, das schmeckt lecker“, schwärmt Felix und holt sich gleich noch einmal Nachschub von den Nudeln mit Tomatensoße. Mittagessen in der Schule gehört für den Zehnjährigen zum Stundenplan genauso dazu wie Deutsch und Mathe. Er ist einer von 22 Schülern, die die erste gebundene Ganztagsklasse am Friedrich-Rückert-Gymnasium in Ebern besuchen. Schon nach einem halben Schuljahr steht für Felix fest: Mit der Wahl der Ganztagsklasse haben seine Eltern für ihn einen Volltreffer gelandet. „Das Lernen macht mir Spaß. Es ist auch nicht schlimm, bis nach 16 Uhr in der Schule zu bleiben. Ich habe hier viele Freunde und viel Zeit, mit ihnen zu spielen.“ Auch seine Schulkameraden der Klasse 5 a sind von der neuen Form der Schule und des Lernens begeistert.

Monatelang hat die Schulleitung mit Oberstudiendirektor Klauspeter Schmidt, Studiendirektor Wolfgang Grübert und Oberstudienrat Steffen Schlüter im Vorfeld an einem Konzept gebastelt, das den Fünftklässlern neue Möglichkeiten und Erfolgschancen eröffnen soll. „Ganztag ist anders und erfordert ein ganz neues Unterrichtsmodell. Dafür gibt es kein Patentrezept, das muss alles reifen“, erklärt der Schulleiter Klauspeter Schmidt.

Das Friedrich-Rückert-Gymnasium Ebern ist das einzige Gymnasium im Landkreis Haßberge mit einer gebundenen Ganztagsklasse. Klar, dass Lehrer und Schüler am Anfang erst einmal Erfahrungen sammeln mussten. Nach und nach wurden Abläufe optimiert und das Konzept den eigenen Verhältnissen angepasst.. „Nach langer Vorlaufzeit haben wir jetzt planungstechnisch alles im Griff“, vermeldet Studiendirektor Wolfgang Grübert. „Wo es nötig war, haben wir den Stundenplan nachgebessert. Jetzt gestalten wir den Schulalltag für die Kinder auf ideale Art und Weise.“

Nicht ganz optimal ist, dass die 12 Mädchen und zehn Jungen der Ganztagsklasse zwei wirklich lange Schultage haben. Dienstags und donnerstags geht der Unterricht bis 17 Uhr. Am Montag und Mittwoch ist bereits um 15.15 Uhr Schluss. Am Freitag läutet die Schulglocke wie für alle anderen Gymnasiasten auch, um 13 Uhr das Wochenende ein. „Ideal wäre natürlich, wenn der Unterricht jeden Tag bis 16.15 Uhr dauern würde“, räumt Klauspeter Schmidt ein. „Das lässt sich aber momentan wegen der Fahrpläne der Bus-Linien  nicht anders regeln.“

Ganztagsschule bedeutet für den Schulleiter eine verändernde Lern- und Unterrichtskultur, vor allem aber auch mehr Zeit für die Kinder. Der Pflichtunterricht ist rhythmisiert, das heißt auf den Vor- und Nachmittag verteilt. Über den ganzen Tag hinweg wechseln sich Unterrichtsstunden mit Übungs- und Studierzeiten sowie sportlichen, musischen und künstlerisch orientierten Zusatzangeboten ab.

Darüber hinaus werden auch Freizeitaktivitäten angeboten. „Die Schüler werden nicht nur beaufsichtigt oder beschäftigt, sondern in einem ausgeklügelten Wechsel von Konzentrations- und Freizeitphasen gezielt individuell gefördert. Der Blockunterricht bis in den Nachmittag schafft Freiräume. „Das Ganze bringt einen nachweislich höheren Bildungserfolg mit sich“, ist Oberstudiendirektor Klauspeter Schmidt überzeugt.  „Es gibt Schüler, die vermutlich ohne die intensivere Förderung wesentlich größere Schwierigkeiten hätten, das Klassenziel zu erreichen.“

Damit in der Ganztagsklasse alles rund läuft und die Schüler wirklich einen zusätzlichen Lerneffekt haben, ist ein hoher Personalaufwand und eine etwas andere Ausstattung des Klassenzimmers erforderlich. Für die Lehrer bedeutet Ganztagsschule zusätzliche Sitzungen und einen deutlichen zeitlichen Mehraufwand, außerdem setzt sie besonderes Engagement voraus. Der Vorteil liegt für die Schulleitung aber auf der Hand: „Wir halten hochqualifiziertes Personal vor, um die Kinder optimal zu fördern - auch am Nachmittag“, so Wolfgang Grübert.  Die Mitglieder der Schulleitung halten ebenfalls ganz bewusst Unterricht in der Ganztagsklasse, um direkt Erfahrungen sammeln zu können. „Ganztagsschule ist auch für die Lehrer ein kontinuierlicher Lernprozess“, bringt es Klauspeter Schmidt auf den Punkt. „Das ist ein Experiment, das Spaß macht.“

Die Klassenlehrerin Martina Jäger sieht in der Ganztagsklasse viele Vorteile. So könnten die Schüler von einer breiten zusätzlichen Förderung profitieren, so etwa durch die Unterstützung bei Hausaufgaben oder intensives Lernen in Kleinstgruppen. Die Lehrer sind näher an den Schülern dran, der Kontakt ist intensiver. Die Kinder werden zur Selbstständigkeit erzogen. Es wird ein Gruppenerlebnis mit Gleichaltrigen geboten, wie es oft in kleineren Dörfern gar nicht mehr möglich ist.  

Auch das tägliche Mittagessen sei ganz wichtig. „Beim Mittagessen passiert unendlich viel an informellem Lernen“, weiß Ildiko Redai, Betreuerin der AWO, die die Kinder regelmäßig vom Klassenzimmer abholt und beim Essen beaufsichtigt. In der Mensa lernen die Mädchen und Buben Manieren und Verantwortung zu übernehmen, etwa beim Tisch abräumen.  Anschließend ist wahlweise Freizeit, also Zeit zum Toben, oder alternativ verschiedene Neigungsgruppen, wie Chor, Sport, Englisch Projekt oder Robotik.

Die Ganztagsklasse ist zwar den ganzen Tag in der Schule, dafür oder gerade deswegen,  genießt sie aber auch eine Reihe an Privilegien. So dürfen sich die Schüler schon um 12.15 Uhr in der Mensa stärken, bevor der große Ansturm kommt. Das Klassenzimmer, das genau genommen aus zwei Räumen besteht, ist bunter, fröhlicher und kindgerechter gestaltet. Maßgeschneidert auf die Ganztagsschüler. Hier können sich die Schüler in der Projektstunde auch einfach mal gemütlich hinlümmeln, ein Buch lesen oder mit Freunden spielen. Den Kindern gefällt das. Aber auch das Lernen in kleinen Gruppen. Und vor allem, dass man die schriftlichen Hausaufgaben in der Schule macht. „Wenn ich nach Hause komme, bin ich fertig. Höchstens mal noch ein paar Vokabeln lernen, aber nicht mehr“,  freut sich Mario Bornkessel aus Bischwind a. R. augenzwinkernd. Genauso empfinden Felix Hertlein (Lauter), Carl Mähnicke (Schottenstein) und Maximilian Kalouzidis (Ebern), die es außerdem „total cool“ finden, dass sie trotz Unterricht ganz viel Zeit für ihre Freunde haben. 

Vom Ganztagsunterricht profitieren auch die Eltern. „Meiner Tochter tut die Schule gut“, zieht eine berufstätige Mutter positive Bilanz. „Schön ist vor allem, dass zumindest die schriftlichen Hausaufgaben erledigt sind, wenn das Kind nach Hause kommt.“  Überzeugt ist die 35-Jährige,  dass die Hausaufgaben in der Gemeinschaft viel konzentrierter gemacht werden, als alleine. Nur lobende Worte findet die junge Frau für das Mittagessen. „Die Speisen sind sehr abwechslungsreich. Meiner Tochter schmeckt es immer. Sie isst sogar Sachen, die sie zu Hause nicht essen würde.“ 


Seite drucken