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Migration gelingt nur gemeinsam

Landratsamt Haßberge lässt den Runden Tisch wieder aufleben. Austausch der haupt- und ehrenamtlichen Akteure über aktuelle Herausforderungen der Krisensituation

Die aktuelle Krisensituation stellt auch die Sozialverwaltung des Landratsamtes vor beträchtliche Herausforderungen. Der Austausch zu Fragen der Migration ist deswegen von höchster Wichtigkeit. Darüber waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Runden Tisches einig. Unser Bild zeigt (von links): Dieter Sauer, Leiter des Amtes für So-ziales und Senioren, Regierungsrat Dr. Christian Mottl, Maria Antonette Graber, Leiterin des Sachgebietes „Flüchtlingsunterbringung und Integration“ an der Regierung von Un-terfranken und stellvertretender Landrat Michael Ziegler. Foto: Moni Göhr/Landratsamt Haßberge

Das Thema „Migration“ ist insbesondere seit der Zuwanderung der Ukraine-Vertriebenen aktuell nicht nur bundesweit, sondern auch im Landkreis Haßberge ein großes Thema. Aus diesem Grund hat das Landratsamt den Runden Tisch Migration wieder aufleben lassen. Stellvertretender Landrat Michael Ziegler freute sich in seiner Begrüßung über das große Interesse an der Veranstaltung und hieß alle Koordinierungskräfte und sonstige Verantwortliche in der Arbeit für und mit Migration – darunter auch Maria Antonette Graber, Leiterin des Sachgebietes „Flüchtlingsunterbringung und Integration“ an der Regierung von Unterfranken, herzlich willkommen.

 

Der zeitliche Abstand zum letzten Runden Tisch im Februar 2019, war teils der Corona-Pandemie geschuldet, aber auch dem Umstand, dass die Zuwanderung danach nicht mehr so stark im Fokus stand. Das Landratsamt konnte die angemieteten Flüchtlingsunterkünfte Zug um Zug abbauen. Die letzte kleine Unterkunft schloss am 31. August 2020 ihre Pforten.  Auch hauptamtliches Personal wurde reduziert und die Zahl der ehrenamtlich Engagierten ging deutlich zurück. „Schließlich hatte die Politik das Signal gesetzt, dass sich eine Situation wie 2015 und 2016 nicht mehr wiederholen durfte. Alles deutete darauf hin, dass Zuwanderung wieder in geregelten Bahnen stattfinden würde“, so der stellvertretende Landrat.

 

Gleichwohl setzte sich im Landkreis Haßberge auf Grund der Erfahrungen während der Flüchtlingskrise die Erkenntnis durch, dass eine engere Zusammenarbeit anzustreben sei.

So sei ab 1. Januar  2019 das Zuwanderungszentrum Haßberge als Kooperation zwischen dem BRK-Kreisverband, dem hiesigen Caritasverband und dem Landkreis Haßberge entstanden. Das neue Kooperationsformat habe zu einem regelmäßigen Austausch und einer intensiveren Abstimmung zwischen den Akteuren geführt und auch die verbliebenen Ehrenamtlichen eng mit eingebunden.

 

Die Durchführung von Fachveranstaltungen, Schulungen zu Integrationsthemen, zahlreiche Austauschtreffen und die gemeinsame Beteiligung an den Interkulturellen Wochen hätten nicht nicht nur die Qualität der Integrationsarbeit im Landkreis gefördert, sondern die haupt- und ehrenamtlichen Akteure auch zusammen geschweißt.

 

„Niemand hatte damit gerechnet, dass dieser Zusammenhalt bald noch einmal auf die Probe gestellt werden sollte“, verdeutlichte Ziegler. Der Krieg in der Ukraine habe eine historische Zäsur  gebracht mit Auswirkungen, die für viele bis dahin nicht denkbar waren.

Die Fluchtwelle aus der Ukraine habe auch die Erfahrenen der Jahre 2015 und 2016 rasch an ihre Grenzen gebracht: es gab keinen Planungsvorlauf und der Zustrom von Vertriebenen erfolgte in kürzester Zeit. Nachteilig sei der Umstand gewesen, dass das Landratsamt Haßberge selbst keine Aufnahme- und Unterkunftsverwaltung mehr hatte. Der Neuaufbau dieser Strukturen war erst in Planung, nachdem die Regierung von Unterfranken das Landratsamt Wochen zuvor aufgefordert hatte, doch wieder Unterkünfte für Asylsuchende anzumieten. Alle, die jetzt am Runden Tisch teilnahmen, sind in irgendeiner Form beteiligt, die Herausforderungen gemeinsam anzupacken.  

 

Neben dem Ukrainekrieg und dessen unmittelbaren Folgen sind in letzter Zeit auch Asylsuchende wieder ein ständiges Thema in den Medien. „Aber nicht nur dort: die Menschen aus verschiedenen Regionen dieser Welt kommen auch direkt im Landkreis Haßbere an und sind ein Prüfstein für die Belastbarkeit unserer Systeme“, beschreibt stellvertretender Landrat Michael Ziegler die aktuelle Situation. Dabei gehe es vor allem um die Unterbringung, ärztliche Versorgung, Beratung, Begleitung vor Ort, Sprachkurse, Kita und Schule und nicht zuletzt um die administrative Abwicklung.

 

„Deshalb ist es wichtig diesen Runden Tisch jetzt wieder anzusetzen, um sich zu allen Fragen der Migration auszutauschen und um die Lage einzuschätzen, wo Handlungsbedarfe gesehen werden und wie man gemeinsam mit den begrenzten Ressourcen eine gute Betreuung und Integration erreichen könne.

 

Der stellvertretende Landrat nutzte die Gelegenheit, um sich bei allen Beteiligten für das, was sie bereits geleistet haben, zu bedanken und sicherte auch bei allen zukünftigen Bemühungen die tatkräftige Unterstützung des Landkreises zu. „Bei der Bewältigung ihrer Aufgaben in der Arbeit für und mit zugewanderten Menschen wünsche ich ihnen viel Kraft und Durchhaltevermögen“, so Michael Ziegler. Der Austausch soll dazu einen möglichst wertvollen Beitrag leisten

 

Der fachliche Teil der Veranstaltung begann mit Ausführungen von Frau Graber. Sie ging auf die Zuweisung von Geflüchteten nach Unterfranken und die derzeit sehr hohe Auslastung des ANKER-Zentrums in Geldersheim, Landkreis Schweinfurt,  ein. Dies und der anhaltende Migrationsdruck erfordere die Ausweitung der Anschlussunterbringung, also die Bereitstellung von zusätzlichen Plätzen für Geflüchtete in den Landkreisen und kreisfreien Städten.

 

Die Teilnehmer des Runden Tisches tauschten sich anschließend zur Versorgung von Neuzugewanderten mit Sprachkursen aus. Holger Weiniger von der vhs Haßberge hielt einen Vortrag zum Stand der Deutsch- und Integrationskurse im Landkreis. Er wies darauf hin, dass aktuell noch 109 Personen, davon 100 Vertriebene aus der Ukraine, auf der Vormerkliste stünden. Ihnen hätte noch kein Sprachkurs angeboten werden können, weil es an Lehrkräften fehle, die die Zulassungsvoraussetzungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erfüllten.

 

Von verschiedenen Teilnehmern wurde darauf hingewiesen, dass es verbreitet auch an ehrenamtlich gegebenem Sprachunterricht fehle. Gerade weil es an offiziellen Sprachkursen mangele, müssten neue ehrenamtliche Lehrkräfte gewonnen werden. Auch eine intensivere Betreuung dieser Kurse sei erforderlich. Dieter Sauer vom Landratsamt wies darauf hin, dass das Projekt Bildungskoordination für Neuzugewanderte im Jahr 2020 ausgelaufen sei, weshalb ehrenamtliche Sprachkurse nicht mehr eng begleitet werden konnten. Er stellte in Aussicht, dass sich das Landratsamt in Zukunft wieder verstärkt um die Koordinierung und Betreuung solcher Sprachkurse kümmern wird.

 

Weiter ging es darum, wie das Krisenmanagement bei einem Zustrom von Flüchtlingen verbessert werden kann. Erwünscht wurde von mehreren Teilnehmern ein schnellerer Informationsfluss, der alle lokalen Akteure erreicht. Für Geflüchtete sollte es ein praktisches und verständliches Informationsangebot geben. Seitens der Vertreter des Landratsamtes wurde auf das Ukraine-Portal auf der Homepage des Amtes hingewiesen und zugesichert, dass es in Zukunft wieder einen regelmäßigen Newsletter mit aktuellen Informationen und den Kontaktdaten der zuständigen Fachkräfte geben soll. Zur Verbesserung des Informationsflusses wird auch die Nutzung einer beim BRK Haßberge bereits für die Beratung der Klienten eingesetzten App geprüft werden. Einige Teilnehmer äußerten, dass es in jeder Gemeindeverwaltung eine Kraft geben sollte, die als Ansprech- und Koordinierungsstelle für soziale Aufgaben, einschl. der Zuwanderung, tätig wird.

 

Ein brisantes Thema, das den Runden Tisch noch beschäftigte, ist die hausärztliche Versorgung von Neuzugewanderten. Der Flüchtlingskoordinator einer Gemeinde berichtete, dass er für Menschen aus der Ukraine noch keinen Hausarzt hätte finden können. Im Krankheitsfall müsste deshalb die ärztliche Bereitschaftspraxis aufgesucht werden. Das sei aber nur eine Notlösung. Dieter Sauer wies darauf hin, dass man dieses Problem beim Landratsamt auf dem Schirm habe und sich mit Vertretern der Hausärzte im Landkreis dazu austauschen werde. Einen Termin gebe es bereits.  

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